
Hingabe: Wenn du aufhörst gegen den Sturm zu kämpfen

Es war doch alles so schön geplant – in meinem Kopf. Die Vorstellung wie von Kinderhand ausgemalt. Garniert mit Zuversicht. Einem großen Funken Vorfreude – aber nicht zu viel Erwartung. Das Ziel im Herzen, aber nicht zwanghaft vor Augen. Dem Universum auch noch genug Raum gelassen, um sein Ding zu tun (quasi Visualisieren für Fortgeschrittene:)).
Und dabei war es nur eine kleine Sache: Die Superwhips im Acroyoga sollten endlich gelingen. Alles schien vielversprechend. Die letzten Trainings wurden immer besser. Und dann: Am Tag der großen Vorfreude – eine einzige Katastrophe. Ich falle und falle und falle, immer wieder. Rièn ne va plus. Aber etwas ging dann doch: im Acroyoga eröffnet sich mal wieder ein kleiner Mikrokosmos im Makrokosmos, der sich wie ein Netz vom Kleinen auf das große Ganze ausdehnt:
Wir Menschen lieben es, zu planen. Kein Ziel zu haben, wäre ja auch langweilig. Und im Grunde spricht ja auch nichts dagegen, wenn man sich nicht krampfhaft auf eine Sache fokussiert, sondern im Fluss des Lebens schwimmt und so seine Wünsche verwirklicht.
Aber mit dem Fluss ist das manchmal so ein Ding. Da gibt es Steine und Stromschnellen, manchmal wird der Fluss zum Rinnsal, manchmal quillt er über die Ufer.
Und dann kommt dieser Tag, diese Stunde oder Sekunde und das Leben setzt dir diesen fetten Stein genau vor deine Vorstellung, die doch gerade noch so schön ins Fließen kam. Wumms, mit einem lauten Knall prallen Wunsch und Wirklichkeit aufeinander. Ganz egal, ob es eine große oder kleine Sache ist: Hat dir die Pandemie wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht? Planst du gerade den nächsten Schritt in deiner Beziehung, während dein Freund oder deine Freundin dir eröffnet, dass es wohl besser sei, sich zu trennen? Ist ein Treffen nicht so verlaufen, wie du es dir gewünscht hättest? Oder läuft bei der Arbeit etwas schief? Oder hast du ein schönes Osterpicknick in der Sonne geplant und nun stürmt und schneit es draußen wieder?
Das Leben ist wie das Aprilwetter: unberechenbar. Selbst wenn wir es schaffen, immer mehr Sonnenschein in unser Leben zu holen und auf das schlechte Wetter nicht mehr so empfindlich zu reagieren, kommt früher oder später ein Sturm, der es in sich hat. Was machst du, wenn so ein Sturm aufzieht oder so ein Steinbrocken dir den Weg versperrt? Im Grunde haben wir ja nur zwei Möglichkeiten: Widerstand leisten oder Annehmen was ist.
Widerstand: das Lieblingsspiel des Egos. Es macht das Ego ja so stark. Mit mir nicht! Du kannst wütend werden oder traurig, du kannst aggressiv angreifen oder in Depression versinken. Und Rache, oh ja. Das mag das Ego besonders gerne. Verurteilen und Abblocken sind auch nicht schlecht. Nichts an sich heranlassen und das Näschen schön in die Höhe strecken. Da geht’s dem Ego gleich besser. Das Problem: Dir leider nicht. Denn Widerstand kommt immer mit Schmerz, früher oder später.
Warum? Ganz einfach, weil Widerstand uns in genau der Situation festhält, gegen die wir Widerstand leisten. Wir richten unsere ganze Energie auf das, was wir nicht wollen. Und das macht uns zu Gefangenen in einem kleinen Raum, ausgerechnet dem Raum, in dem wir nicht sein wollten. Sind wir erst einmal in diesem Raum, ist es oft schwierig zu erkennen, dass es da noch etwas außerhalb gibt.
Wie finden wir dann die Freiheit? Durch Hingabe. So ein altbackenes Wort irgendwie, aber irgendwie auch schön und auf jeden Fall einfacher gesagt als getan. Denn da sind ja noch die Gefühle, – oder eben die, die man gerne unterdrückt – die sich der Hingabe in den Weg stellen. Hingabe hat oft erst einmal einen faden Beigeschmack. Manchmal fühlt sich ein bisschen an wie klein beigeben, aufgeben. Aber diese Gefühle kommen vom Ego, das kämpfen und Widerstand leisten will. Letztendlich ist Hingabe genau das Gegenteil: Annehmen, was ist, ist nicht aufgeben. Es ist nicht klein werden, sondern groß werden und sich einer größeren Möglichkeit zu öffnen. Wachsen.
Wenn mich etwas wirklich be-trifft – und das ist ein sicheres Zeichen dafür, dass ich ein Thema damit habe – dann schreit erst einmal alles in mir auf, wenn ich versuche die Situation anzunehmen wie sie ist. Widerstand erscheint viel stärker und natürlicher. Aber auf Dauer schwächt er nur. Es ist, als würdest du mit Fäusten gegen den Sturm ankämpfen. Müde vom Kämpfen? Willst du deine Energie sinnvoller nutzen?

Dann lass es uns mit echter Hingabe versuchen: Annehmen was ist, bedeutet nicht, keine Ziele mehr zu haben, von seinen Wünschen abzulassen oder gar gut zu heißen und hinzunehmen, wenn etwas Schlimmes passiert ist oder jemand etwas tut, das dir nicht gut tut. Es bedeutet schlicht und einfach: Annehmen, was jetzt gerade ist. Es ist bereits geschehen, du kannst es nicht ändern. Wenn du gegen die Gegenwart kämpft, dann bist du gefangen in der Vergangenheit. Aber durch das Annehmen öffnet sich eine Tür: Indem du deine Gegenwart annimmst, kannst du deine Zukunft in eine neue Richtung lenken. Vielleicht ändern sich deine Ziele, vielleicht auch nicht. Wenn du wie der Fluss bist, der um den Stein fließt, dann eröffnen sich neue Möglichkeiten. Vielleicht sogar solche, an die du noch gar nicht gedacht hast.
Die Steine und Stürme sind ja nicht umsonst da. Oft zeigen sie uns, was uns noch den direkten Weg zu unseren Wünschen und Träumen versperrt. Und wie war das nun beim Acroyoga? Haben die Superwhips noch geklappt? Nö. Ich bin gefallen und gefallen und gefallen. Und das Fallen ist generell eine schrecklich fürchterliche Angelegenheit für mich. Aber genau darum ging es wohl: Wenn ich Superwhips machen will, muss ich erst das Fallen lernen. Und inzwischen genieße ich das Fallen sogar ein bisschen. Bin ich deswegen von meinem Ziel abgekommen? Nö, es dauert nur etwas länger als geplant. Hat das Universum deswegen versagt, mir meine Wünsche zu erfüllen? Nö, es hat nur einen anderen Weg gewählt, der wahrscheinlich einen tieferen Sinn hat. Wie im Kleinen so im Großen: Vertraue dem Prozess, fließe, gib dich dem hin was ist … und schaue, was das Leben bereithält.
PS: Für die, dich nicht wissen, was Superwhips sind: Sobald sie gelingen, poste ich hier ein Video – und vielleicht auch eines vom Fallen :))

Ein Kommentar
Monika
Vielen Dank fürs Teilen, mitten ins Herz ♥