Ashtanga meets Acro – mein Yoga
Never change anything – always change everything!
Wer hätte das gedacht? Meine ersten Yogaerlebnisse hätten auf jeden Fall nicht darauf schließen lassen, dass ich einmal hier lande. Damals hatten wir noch kein Internet. Es gab keine YouTube Videos, keine Fotos auf Facebook. In der Bücherei habe ich in irgendeiner verstaubten Ecke ein Buch über dieses exotische Yoga gefunden. Wahrscheinlich war’s das einzige. Ich habe es mitgenommen und gleich losgelegt zu Hause. Minutenlang habe ich in der Stellung des Kindes verharrt und in manchen anderen Positionen – und auf die laut Buchbeschreibung bald eintretende Wirkung gewartet. Ich muss sagen, ich war etwas enttäuscht:)). Auch in den nächsten Jahren haben mich weitere Bücher und die fünf Tibeter nicht wirklich überzeugen können. Yoga: hab ich schon mal gemacht, aber das ist nichts für mich, dachte ich.
Jahre später kam ich zurück zum Yoga – oder Yoga kam zurück zu mir. Ich arbeitete bereits als Journalistin. Stress, Nacken- und Rückenschmerzen kamen dank der Schreibtischarbeit ganz von alleine dazu. Also auf ins Yogastudio. Und zum ersten Mal tat mir Yoga wirklich gut. Diese Entspannung nach einer guten Yogastunde, das friedliche In-sich-Ruhen, das Zu-sich-Selber-Finden nach einem stressigen Arbeitstag. So ging das Jahre: Yoga war für mich der Ausgleich zum Job. Ich habe zwar immer schon viel gelesen, mich mit spirituellen Themen beschäftigt, auch mit der Yoga-Philosophie, aber irgendwie war das trotzdem noch weit weg. Schließlich gehen die meisten normalen Yogastunden nicht über die Oberfläche hinaus. Das können sie aufgrund der Zeit und wechselnden Teilnehmer ja auch kaum.
Sivananda Yoga, Kundalini Yoga, Yin Yoga, Power Yoga, Jivamukti Yoga: Ich habe so einiges ausprobiert und auch jahrelang mit Begeisterung betrieben. Dann kam ich zum Ashtanga Yoga und bin dort erst einmal geblieben. Die richtige Yogaart zu finden, ist ein bisschen so, wie die perfekte Jeans zu finden: Sie passt und sitzt und man will sie am liebsten gar nicht mehr ausziehen. So war das bei mir und dem Ashtanga Yoga. Meine Ausbildung zum Ashtanga Yoga Inspired Teacher habe ich dann 2014 bei den wunderbaren Lehrern Ronald Steiner und Ralf Otto gemacht. Speziell durch diese beiden, aber auch durch andere Lehrer wie Eberhard Bär oder Prem & Radha Carlisi auf Bali, wurde Yoga weitaus mehr für mich als nur körperliche Übung mit ein bisschen spirituellem Background: Yoga wurde tatsächlich zu einem Lebensweg.
Und wie das mit solchen Wegen so ist, blieb die erste große Herausforderung nicht weit entfernt. Nach ein paar Jahren wollte Ashtanga Yoga nicht mehr so richtig passen für mich. Die Jeans zwickte und kniff und das tägliche Üben der Serie, wie es im Ashtanga üblich ist, fiel mir immer schwerer. Ich hab es mir tatsächlich selbst etwas schwer gemacht in dieser Zeit: Muss ich jetzt mit Yoga aufhören? Soll ich mich zwingen weiter zu machen? Schon Patthabi Jois, der Begründer des Ashtanga hat auf die Frage nach seinem Unterrichtsstil immer geantwortet: “Never changed anything”, womit er das meinte, was ihm zuvor von Krishnamacharya überliefert wurde. Aber wahrscheinlich hat er das auch nur mit einem Augenzwinkern gesagt. Denn tatsächlich hat Patthabi Jois selbst ständig eine Menge verändert – wovon seine Schüler, zu denen auch mein Lehrer Ronald Steiner gehört, ein Lied zu singen wissen. Auch Ronald hat ja sein eigenes Ausbildungssystem entwickelt und das traditionelle Ashtanga mit modernen Erkenntnissen aus der Sportwissenschaft verbunden. Yoga ist also keine starre Tradition, sondern etwas Lebendiges, das sich seit Jahrhunderten an die Bedürfnisse der Menschen anpasst.
Kurzum, ich habe irgendwann entschlossen, mein eigenes Yoga zu praktizieren: Die Stile, die ich gelernt habe, zu mischen, so zu üben, wie es mir und meinem Körper guttut. Das war schon eine große Bereicherung, aber die derzeit größte Bereicherung kam im Frühling 2017, als ich Acroyoga kennenlernte. Stell dir vor: Alles, was innerlich und äußerlich beim Yoga zwischen dir und deiner Matte passiert, geschieht beim Acroyoga zwischen dir und einem Partner, oder einer ganzen Gruppe. Sich auf die Übung einzulassen, bedeutet hier gleichzeitig, sich auf einen Partner einzulassen, das unmöglich Gedachte möglich zu machen, geschieht hier gemeinsam, die eigenen Grenzen zu erkennen oder auszuweiten, kannst du nur, wenn du die Grenzen des Partners achtest oder ihn unterstützt, sie zu erweitern. Und bei alldem macht Acroyoga einfach Spaß! Nicht zuletzt hat es mich zurückgebracht zum Ashtanga, denn dies ist wirklich eine gute Basis und ein guter Ausgleich zum Acroyoga. “Mein Yoga” ist also nichts Festes oder Starres, es verändert sich ständig. Und das ist doch Leben, oder? Ständige Veränderung…